Mehrwert – Worthülse mit Sinnkrise?

Ich habe noch nie jemanden sagen hören: „Der Abend war so toll, ich habe den Mehrwert richtig gespürt!“ Oder: „Ich wurde so überrascht vom Mehrwert, ich hab mir direkt einen für zuhause bestellt!“

In jeder zweiten Werbeanzeige und in zahllosen Social-Media-Posts wird mit dem Begriff nur so um sich geworfen. Seitdem ich ihn zum ersten Mal gehört habe, begleitete mich ein großes Fragezeichen auf meiner Stirn.

Denn dieses Wort ist gleichzeitig alles und nichts. So wunderbar undefiniert, dass es zu jeder Erwartung passt – und gleichzeitig keiner gerecht wird. Gibt man ihn? Bekommt man ihn? Was kostet er eigentlich? (Spoiler: Auch nach intensiver Recherche – keine Ahnung.)

Wie bei allem, was inflationär benutzt wird, hat auch dieser Begriff an Bedeutung verloren. Wenn er denn jemals eine hatte.

Einmal Tischfeuerwerk, bitte!

Nach einem Vortrag wurde ich gefragt, ob ich diesen im Rahmen eines Tageskongresses noch einmal halten möchte. Klar, mach ich doch gerne! Ist ja mein Thema, ich brenne dafür. Es gehört auf die Bühne.

Also sollte ich mich über ein Formular melden – alle weiteren Infos kämen dann. Soweit, so gut. Doch plötzlich fand ich mich in einem kleinen “Bewerbungsverfahren” wieder. Mein Titel und Thema müssten noch mal geprüft werden. Zumindest sagte das der Autoresponder. 

Moment mal… hatte man mich nicht gerade noch aktiv eingeladen?

Und jetzt sollte ich fünf Tage auf die finale Entscheidung warten, ob mein Vortrag passend genug ist?

Die Antwort kam schließlich kurz und knapp:

„Wichtig wären uns deine Erfahrungsberichte zu deinem Thema, am besten mit Screensharing direkt aus den Tools, die du dafür nutzt, und keine reine Folienpräsentation. Echten Mehrwert für die Leute vor Ort, es muss ein Takeaway geben. Ist das für dich machbar?“

Zwischen Tool-Show, Takeaways und innerem Zweifel – Ist mein Wissen nur etwas wert, wenn es funkelt?

Hm, eigentlich nicht. Denn mein Vortrag war eben keine Tool-Präsentation. Sondern mein fachlicher Input. Meine Erfahrung, meine Perspektive auf die Revolution im Kundenservice. Nicht mehr – aber eben auch nicht weniger. Es war genau das.

Reicht das, was ich mache, eigentlich überhaupt aus? Wenn ich nicht noch eine Extraschippe „Mehrwert“ und „Takeaway“ oben drauf lege – ist mein Beitrag etwa weniger wert, weil er keine schicken ChatBots oder Automationen beinhaltete?

Eine Tool-Präsentation ist wunderbar. Es gibt diesen WOW- Moment bei jedem Klick und alle haben ein Leuchten in den Augen. Und das innerhalb von 15 Minuten. Klingt wie ein imposantes Tischfeuerwerk, was ich im KI-Universum zünden sollte.

Natürlich sind diese Funken toll. Jeder schaut gern hin. Aber auf Dauer wird man damit nicht warm. Im Gegenteil: Jetzt erwarten alle, dass dein ruhiger, gleichmäßiger Kohleofen auch explodiert.

Über Tischfeuerwerke, Kohleöfen und echte Wirkung: bin ich der Funke oder das Feuer?

Am Ende habe ich die Präsentation abgesagt. Ich möchte der Kohleofen sein. Egal, ob wir KI einsetzen oder nicht. Am Ende sollten immer der Mensch und seine individuellen Fähigkeiten im Mittelpunkt stehen.

Und das ist mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz im Kundensrevice noch mehr möglich geworden. Nicht nur, um Menschen zu entlasten, sondern eine Verbindung zu ihnen aufzubauen. Dafür setze ich mich ein und dafür hinterfrage ich immer wieder da Art, wie wir miteinader umgehen möchten.